Als ein immer wiederkehrender Dauerbrenner werde ich von Organisationen und Unternehmen angefragt:
„Wie können wir Sprache so verwenden, dass sie möglichst viele verschiedene Menschen anspricht und möglichst wenige Menschen ausgrenzt.“ Hier sind ein paar Antworten.
Vorweg: Die Sprache ist die Kleidung der Gedanken! (1)
Was wir sprechen oder schreiben, haben wir vorher gedacht. Das klingt vielleicht banal, ist es aber nicht.
Sprache ist nämlich nicht bloß Kommunikationsmittel, das auf neutrale Weise Information transportiert, sondern eine konkrete Handlung. Wir schaffen damit Wirklichkeit und Vorstellungen von „Normalität“.
Beispielsweise werden mit einzelnen Wörtern Zuschreibungen wie Fürsorge oder Emotionalität für Frauen und Durchsetzungsfähigkeit oder Rationalität für Männer hergestellt. Auch mit bestimmten Phrasen, Texten und (Sprach-)Bildern werden immer ganz bestimmte Dinge ‚wie selbstverständlich‘ mit beispielsweise jungen oder älteren Menschen, Menschen mit Migrationsgeschichte, Menschen mit Behinderung assoziiert. Häufig sind wir uns deren Verwendung nicht bewusst. Stattdessen folgen wir einfach gängigen, für uns selbstverständlichen Mustern. Wir verwenden Sprache so, wie auch andere um uns herum sie verwenden. Damit reproduzieren oder verfestigen wir unbewusst Vorannahmen und Zuschreibungen, die wir eigentlich verändern möchten. Erfreulicherweise ist Sprache lebendig und veränderbar – wir können sie selbst festlegen, beeinflussen und verändern!
Gut gemeint ist nicht mit-gedacht
Der Klassiker, den wir alle kennen: „Zur vereinfachten Schreibweise wird die männliche Form verwendet, wobei Frauen mitgemeint sind“.
Hierbei wird das generische Maskulinum, also die männliche grammatikalische Form als angeblich „neutral“ verwendet und behauptet, auch Frauen würden dadurch einbezogen. Das ist ein Irrtum, wie aktuelle Studien belegen (2): Testpersonen hatten durchgängig bei männlichen Schreibformen auch Männer vor Augen. Oder sehen Sie bei „Bundeskanzler“ vor Ihrem inneren Auge eine „Bundeskanzlerin“?
Wenn Sie diese Frage mit „ja“ für sich beantworten oder Menschen kennen, die dies tun (würden), dann ist das generische Femininum vielleicht von Interesse.(3) Hierbei wird ausschließlich die weibliche Form verwendet, mit folgenden Begründungen:
Wenn Sie hingegen gleichermaßen Frauen und Männer ansprechen wollen, bietet es sich an, auch beide zu erwähnen.
Zusammenziehungen
„Wenn ich immer beide Geschlechter nenne, wird der Text so lang“, lautet ein Einwand, den ich öfter höre. Hierfür gibt es besonders für die geschriebene Sprache verschiedene Möglichkeiten:
Ich verwende das Sternchens, den Gender Star, weil damit für mich am besten die Diversität von Genderidentitäten zum Ausdruck kommt. Für mich ist das aber kein Dogma: Jede Organisation und jedes Unternehmen sollte für sich herausfinden, welche Form in der internen wie externen Kommunikation für sie am besten passt. Wichtig finde ich, dass Sie wissen und begründen können, warum Sie welche Form verwenden.
Als eine elegante Form gelten Partizipialformen im Plural wie beispielsweise Studierende, Lehrende, Mitarbeitende. Manche Leute lieben sie, andere verabscheuen sie. Ich finde sie eine gute Möglichkeit, die aber nicht für alle Worte möglich ist. Außerdem besteht die Gefahr der „Unsichtbarkeit“, das heißt wenn ich beispielsweise eine Gruppe von 99 Mitarbeiterinnen und einem Mitarbeiter mit „Liebe Mitarbeitende“ anspreche, relativiert das die Zusammensetzung des Auditoriums.
Alternativen finden
Soweit so einfach. Etwas mehr Kreativität ist gefragt, wenn Sie neue Wege gehen und Alternativen für gängige feststehende (männliche) Bezeichnungen finden wollen. Hier ein paar Inspirationen
besser | statt |
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Teilnahmeliste | Teilnehmerliste |
Feuerwehrleute |
Feuerwehrmänner |
Zigarettenpause | Raucherpause |
Team | Mannschaft |
Gehweg | Bürgersteig |
Beschäftigte, Belegschaft | Mitarbeiter |
Fachwissen | Expertenwissen |
Projektleitung | Projektleiter |
Beschäftigtenbefragung | Mitarbeiterbefragung |
Noch gravierender sind Begriffe mit traditionellen Rollenbildern, die Ihre Kreativität herausfordern, wie beispielsweise
Milchmädchenrechnung, Männerbund, Muttersprache, weltmännisch, Jungfrau, Zimmermann, Manneskraft, bemuttern, Seemann, Mädchenschwarm, Vaterland, Mädchenname, Meisterschaft, Blödmann, Weiberheld…
Hier können Sie nicht einfach ein „-in“ verwenden. Sie brauchen echte Alternativen, die zudem noch das Gleiche ausdrücken - was nicht immer gelingt. Beispielsweise wollten wir in einem Seminar einen Text umändern, indem „Jungen und Mädchen wie Detektive der Spur folgen“. Wir haben länger diskutiert, ob beispielsweise „Spürnasen“ eine gute Alternative ist - und waren uns letztlich nicht einig…
Grammatikalische Veränderungen
Hier reicht es nicht mehr aus, lediglich ein Wort zu ändern. Hier geht es um ganze Satzteile, wenn Sie Adjektive und Pronomen überprüfen, Passivformen und direkte Ansprache verwenden oder Ableitungen auf -ung, -ion, -ium, -kraft etc. finden.
Weitere Diversity Kategorien
Wie Sie gemerkt haben werden, beziehen sich die Erläuterungen auf die Kategorie Geschlecht. Das hat meiner Meinung nach damit zu tun, dass es eine fast dreißig-jährige Tradition dazu gibt und sich auch die deutsche Sprache grammatikalisch an weiblichen und männlichen Formen orientiert. Andere Sprachen hingegen beschäftigten sich mit anderen Aspekten, weil es, wie zum Beispiel im Englischen keine entsprechenden Artikel gibt - hier stehen andere Herausforderungen im Mittelpunkt.
Ich habe bisher nur eine Schrift gefunden, die Vorschläge für diskriminierungsarme Sprache hinsichtlich verschiedener Diversity Kategorien enthält (4). Hierbei geht es vor allem um stereotype und diskriminierende Zuschreibungen und deren Alternativen bezüglich Lebensalter, sexueller Orientierung, Behinderung, Migrationsgeschichte und Religion.
Wie geht’s weiter?
Meine Schlussfolgerungen für eine gendersensible und diskriminierungsarme Sprache in der Öffentlichkeitsarbeit, bei Stellenausschreibungen oder im privaten Gebrauch sind:
Wenn Sie Unterstützung brauchen, lassen Sie es mich wissen.
Wenn Sie weitere Vorschläge, Ergänzungen, Beispiele und Ideen haben, schreiben Sie mir an post@genderworks.de
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Hinweise
Es gibt eine Vielzahl von Veröffentlichungen zum Thema. Die Folgenden finde ich besonders erhellend
Die Gleichstellungsbeauftragte der Universität zu Köln (2013): ÜberzeuGENDERe Sprache, Köln. Dieser Leitfaden enthält meiner Meinung das Wesentliche zum Thema und bezieht sich natürlich auf den Kontext Universität.
AG Feministisch Sprachhandeln der Humboldt-Universität zu Berlin (2014): Was tun? Sprachhandeln – aber wie? W_Ortungen statt Tatenlosigkeit!, Berlin. Wer einen umfassenden Einblick über verschiedene Möglichkeiten und Bedeutungen von Sprache bekommen möchte, ist hier genau richtig. Mir gefällt das Weitreichende daran, auch wenn ich manches für mich für weniger praktikabel halte.
Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (2008): Leitfaden für einen nicht-diskriminierenden Sprachgebrauch, Wien. Dieser schon erwähnte Leitfaden thematisiert weitere Diversity Kategorien.
Das Genderwörterbuch enthält weitere Tipps, Begründungen und Argumente - und immer wieder Neues und Aktuelles.
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(1) Das befand schon Samuel Johnson (1709-1784), der im 18. Jahrhundert einer der wichtigsten Personen der Literatur in England war und nach William Shakespeare der meistzitierteste englische Autor.
(2) Beispielhaft s. Kusterle, Karin (2011): Die Macht von Sprachformen: der Zusammenhang von Sprache, Denken und Genderwahrnehmung, Frankfurt a. M.; Vervecken, Dries/Hannover, Bettina (2015): Yes I can! Effects of gender fair job descriptions on children’s perceptions of job status, job difficulty, and vocational self-efficacy, Social Psychology, 46 (2), 76-92, Gygax, Pascal et.al (2008): Generically intended, but specifically interpreted: When beauticians, musicians, and mechanics are all men, Language and Cognitive Processes 23(3), 464–485.
(3) vgl. http://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/gleichberechtigung-uni-leipzig…
(4) Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (2008): Leitfaden für einen nicht-diskriminierenden Sprachgebrauch, Wien